10.01.2017

"No Flops“ im Fashion-Handel: Herausforderungen für eine gelungene Standortplanung

Interview mit Christian Heller, Team Lead Fashion & Lifestyle, im Bereich Geomarketing von GfK

Welche besonderen Herausforderungen (und Trends) sehen Sie 2017 für die Händler im Fashion-Segment?

Christian Heller: "Der Verdrängungswettbewerb nimmt auch 2017 seinen Lauf. Die Händler müssen sich konsequent an den heutigen und künftigen Verbrauchern orientieren. Der technologische Wandel und die damit einhergehenden Veränderungen im Einkaufsverhalten schreiten rasant voran. Fashionanbieter müssen proaktiv handeln und, um neue Kontaktpunkte mit den Kunden zu schaffen, ihr Omni-Channel Sales & Marketing weiter ausbauen. Wer hier „schläft“ – sei es aus Schockstarre oder vermeintlicher Sonderposition – wird abgehängt.

Zudem sollten die Händler vor allem auch ihre stationären Angebote weiter optimieren und sich bei den Ladenbaukonzepten weiterentwickeln. Es ist zwar erkennbar, dass die Markentreue der Verbraucher nachlässt, da Kaufentscheidungen eher nach Stimmigkeit mit dem Lifestyle getroffen werden. Aber Händler, die es verstehen, ihre Marke mit Lifestyle-Botschaften und -Signalen aufzuladen, können sich ein Stück weit aus dem allgegenwertigen Preisvergleich-Spiel herausnehmen.

Apropos: Auch der Kampf um die Preise wird weitergehen, was ordentlich Druck auf die Margen ausüben wird. Nur Händler, die sich klar und abseits der Mitte positionieren, können hier langfristig gewinnen."

 

Was kann der Fashion-Handel tun, um wieder zu wachsen?

Christian Heller: "Wie gesagt: Die Händler müssen ihre Offline- und Online-Angebote noch besser miteinander verzahnen. Das klingt vielleicht für viele kontraintuitiv, da sie fürchten, dass Online ihnen stationär das Wasser abgräbt. Aber eine GfK Fashion-Studie aus Deutschland zeigt, dass der „Omni-Channel“ Käufer im Durchschnitt fast doppelt so viel für Fashion & Lifestyle ausgibt als der „Pure Offline“ Käufer. 

Marketingseitig muss der Kunde dort angesprochen werden, wo er lebt, arbeitet oder seine Freizeit verbringt. Freizeit- und Erlebnisorientierung sind Megatrends, die die Händler für sich nutzen können. Die vor einigen Jahren angesagte „Shopping-Tour“ durch die Innenstadt wandelt sich gerade eher zur „Erlebnis-Tour“: Neben dem Einkaufen genießen die Shopper auch einen Kaffee, wollen kulturell inspiriert werden, und so weiter. Kurzum: Shopping ist Teil des vielzitierten aber immer noch unterschätzten „Lifestyle“.

Erlebnisse wirken aber im nicht-virtuellen Raum stärker, und genau hier müssen die Händler ihre Stärke weiter ausbauen: Um in Zukunft weiter erfolgreich zu sein, ist es also etwa auch zwingend erforderlich, Ladenbaukonzepte weiter zu entwickeln. Oberstes Ziel sollte dabei sein, den Erlebnisfaktor und die Verweildauer in einem Ladengeschäft zu erhöhen. Im Mittelpunkt sollte hierbei der Aspekt Konnektivität stehen, und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen in Form der Warenpräsentation, indem nicht mehr Produktkategorien, sondern Lifestyles in Kombination der Kernsortimente mit ergänzenden Accessoires oder auch ganz anderen Warengruppen ausgestellt werden; zum Anderen in Form des Besuchserlebnisses, indem nicht allein das Einkaufen, sondern darüber hinaus weitere Funktionen angeboten werden, also der Laden z.B. als Treffpunkt, Arbeits- und  Kommunikationsort oder Statement der sozialen, ethischen oder moralischen Weltanschauung genutzt werden kann. Beide Maßnahmen verbessern die Bindungskraft und Loyalität zwischen Kunden und Händler. WLAN-Angebote im Laden, Sitzecken, Kombinationen mit anderen Händlern oder Sortimenten sind hier nur der Anfang. Händler sollten Wohlfühl- und Entertainmentfaktoren in ihre Ladenkonzepte integrieren, so dass der Kunde dort gerne verweilt und wiederkommt, weil es um mehr als das reine Einkaufen geht.

Durch außergewöhnliche Konzepte und eine hohe Qualität der Produkte werden auch Kauferlebnisse geschaffen, die der Kunde so nicht direkt vergleichen kann. Ein super Beispiel ist etwa der Concept Store Lust auf Gut in Freiburg. Hier kann der Kunde während des Einkaufs mit Freunden Kaffee trinken, zum Friseur gehen und am Ausgang in der Floristikabteilung einen Blumenstrauß mitnehmen."

 

Wie wichtig ist die Standortwahl in Zeiten von eCommerce? Ist der Kampf nicht schon verloren?

Christian Heller: "Die Wahl des Standortes ist heute wichtiger denn je. Die Konkurrenz schläft nicht und in Zeiten der Digitalisierung und Vernetzung sprechen sich sowohl Mängel als auch „Geheimtipps“ viel schneller unter den Kunden herum. Das ist also Chance und Risiko zugleich!

Ich meine: Die Händler müssen ihre Expansions- und Standortkonzepte grundlegend verändern – die engen Märkte erlauben schlicht keine Flops bei der Standortplanung mehr. Dies betrifft sowohl die Wahl des Standortes selbst – Stichwort „Lage“ – als auch die Beschaffenheit der Flächen. Beispielsweise werden immer mehr Omni-Channel-Händler dazu übergehen, die Warenauslieferung zu optimieren, so dass es keinen Unterscheid mehr macht, ob ein Kunden off- oder online einkauft. Je nach Anteil des e-Commerce ändern sich damit auch die Flächenanforderungen.

Generell ist es heute mehr denn je überlebenswichtig, bei der Wahl von Standorten im Vorfeld genau zu analysieren, ob der Standort überhaupt langfristig das nötige Kunden- und Umsatzpotenzial hat – hier geht es etwa um Zielgruppen im Einzugsgebiet, Sortimentsmix im Umfeld, Attraktivität und Image des Standorts allgemein, aber auch die Erreichbarkeit.

Ich bin aber zuversichtlich, dass der Fashion-Handel diese Herausforderungen meistern kann. Der stationäre Handel ist nach wie vor unverzichtbar und er wird auch in Zukunft eine sehr wichtige Rolle bei der Kaufentscheidung spielen. Und: Fashion hatte schon immer eine Vorreiterrolle im Handel und ist eine hochkreative Branche. Die Branche wird sicher nicht am Ideenmangel was Standortkonzepte angeht scheitern. Neben Kreativität braucht es allerdings auch ein fundiertes Omni-Channel Vertriebs- und Standortnetzkonzept."